Aktuelle Situation
Ein Investor hat acht Grundstücke in der Helenenstraße gekauft. Seine Pläne sollen vorsehen, die alten Gebäude abzureißen und neue, höhere zu bauen – mit mehreren Appartements je Grundstück für Sexarbeiterinnen. Auch der Garagenhof am Ende der Sackgasse steht zur Disposition. Damit ist die Diskussion um die künftige Nutzung dieser Prostitutionsstraße im Steintor wieder aufgeflammt. Die durch den Ortsbeirat initiierte und 2021 umgesetzte künstlerische Umgestaltung des Eingangsbereichs soll die Schmuddelfaktoren (Müll, Pissoir) reduzieren, kaschiert aber nur die tatsächlichen Probleme.
LiV hatte im April 2023 zu einer Anwohnerversammlung eingeladen, um sich über die Pläne auszutauschen. Ein dazu erschienener Artikel im Weser-Kurier gibt nicht wieder, wie die Stimmung auf der Versammlung wirklich war: Viele Beiträge handelten empört und betroffen von der Gewalt, die sich in der Straße beobachten oder aus der Straße hören lässt und ebenfalls im Umfeld sichtbar wird – so dass die Helenenstraße als „guter Ort“ für die dort arbeitenden Frauen stark infrage zu stellen ist. Allerdings nicht vom Beiratssprecher ÖV und nicht von Nitribit. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Menschen im Viertel nicht weiter belastet werden wollen, wie es durch die Ausweitung der Bordellwohnungen passieren würde. Sie haben genug von dem Zuruf: „Wenn ihr hier wohnt, müsst ihr das aushalten!“ angesichts der geballten Probleme im Steintor: den zunehmenden kriminellen Machenschaften, der Dealerszene, der männlichen Dominanz, der ausufernd feiernden Betrunkenen und vielem mehr. Der öffentliche Raum in der Helenenstraße, Vor dem Steintor, an der Sielwallkreuzung bis hinein in etliche Nebenstraßen ist nicht mehr für alle uneingeschränkt nutzbar, nicht für Kinder, junge Mädchen und Frauen, Alte, körperlich beeinträchtigte Menschen.
Es wurde gefordert, dass der Beirat eine Planungskonferenz einberuft, bei der alle Betroffenen an einem Tisch sitzen. Eine öffentliche Beiratssitzung zu dem Thema ist so schnell wie möglich anzuberaumen. LIV wird einen Offenen Brief an die zuständigen Ressorts richten. Die unmittelbaren Anlieger sollten sich organisieren.
Das Ortsamt wurde zitiert mit dem Sachstand, es seien 8 Grundstücke (von insgesamt 26) erworben worden, darauf sollten 23 Wohnungen für Prostituierte entstehen. Gerüchten zufolge – für die LIV allerdings bisher keine Bestätigung hat – soll der Investor 13 Grundstücke erworben haben. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, was hier wirklich, und von wem, geplant ist!
Hintergrund
Es ist historisch umstritten, ob der angeblich älteste Rotlichtbezirk Deutschlands (seit 1878) wirklich nur das soziale Projekt war, als das es – auch von offizieller Stelle – verkauft wurde (Schutz und Selbstbestimmung von „anschaffenden“ Frauen), oder nicht vielmehr seit jeher immer schon mit Zwang und Gewalt verbunden war. Heutzutage hat sich das Prostitutionsgewerbe völlig verändert: Armutsprostitution, osteuropäische zumeist orts- und sprachunkundige Frauen, wechselnde Einsatzorte, unübersichtliche Abhängigkeitsstrukturen bestimmen neben den veränderten juristischen und sozialen Rahmenbedingungen die heutige Realität auch in der Helenenstraße
Problem-/Konfliktbereiche
Mitten unter uns im Viertel wird ein menschenverachtendes Milieu geduldet, das kriminell durchsetzt ist, u.a. von der benachbarten Drogenszene. Die Eigentumsverhältnisse in der Straße sind unübersichtlich, die Behörden wissen nicht einmal, ob es sich hier baurechtlich um ein Wohn-, Misch- oder Gewerbegebiet handelt. Die Helenenstraße ist mit ihren Baulücken, heruntergekommen Bretterverschlägen, Mauerresten, kleinen Buden mit Nachkriegsflair auf der einen Seite und den lieblos zusammengestückelten Bauten der 70er Jahre auf der anderen nichts anderes als ein städtebaulicher Schandfleck, ein Relikt vergangener Zeiten.
Perspektive
Die einzige Sackgasse des Viertels wird Teil des urbanen Lebens des Viertels. Eine städtebauliche Sanierung liegt im Interesse der Öffentlichkeit. In der Straße wird ein soziales Wohnungsbauprojekt etabliert, das Vorzeigecharakter als Oase des Stadtteils mit großer Wohn-, Aufenthalts- und Wohnqualität besitzt und im Steintor insgesamt eine neue Lebensqualität und Aufbruchsstimmung erzeugt.
Kurzfristige Lösung
Voraussetzung für eine Veränderung der trostlosen Situation ist die Öffnung zum Viertel durch neue Wegebeziehungen. Die Helenenstraße wird perspektivisch zur Durchgangsstraße, also als Sackgasse aufgehoben und zu der Straße „Auf der Kuhlen“ geöffnet. In einem ersten Schritt hätte der dortige Garagenhof, ohnehin eine raumörtliche Sünde, in städtischen Besitz überführt werden müssen, der neue Eigentümer muss dazu verpflichtet werden, die Öffnung zu ermöglichen. Weitere Gebäude in der Helenenstraße sollten von der öffentlichen Hand erworben werden. Planungsrechtlich ist die Umwidmung in ein Wohngebiet einzuleiten. Die Öffentlichkeit des Viertels wird schon jetzt in die Straße geholt, indem dort Gestaltungsräume für Initiativen, Kulturaktivitäten und Begegnungen ermöglicht werden.
Abgesehen davon muss die kriminelle Szene mittels Polizeipräsenz kontrolliert und gestört werden.
Menschenhandel muss unterbunden werden. Die Senatorin für das Bauwesen wird aufgefordert, dem Beirat die Besitzverhältnisse in der Helenenstraße zu erläutern und die stadtteilbauliche Entwicklung voranzubringen.
Die Problematik des Sexkaufs kann hier nicht umfassend erörtert werden. Deshalb einige Links für alle Interessierten:
https://taz.de/Aktivistin-ueber-Sexkaufverbot/!5644525/
https://www.swr.de/swr2/wissen/sexkauf-verbieten-der-streit-um-prostitution-in-deutschland-104.html
https://www.emma.de/artikel/schattenbericht-prostitution-ist-gewalt-338819