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Die Helenenstraße im Steintor

Die aktuelle Situation

Bis heute ist die Ablehnung der Ausweitung nicht mehr als eine Absichtsbekundung. Nach Äußerungen aus dem Bauressort gibt es keine baurechtlichen Maßnahmen, die eine Ausweitung verhindern könnten. Sollte das tatsächlich der Fall sein, gibt es nur eine Alternative:  die  Ausnahme der Helenenstraße aus der Sperrbezirksverordnung aufheben und somit die Bordellmeile schließen.

März 2023: Die Ausweitungspläne werden nach und nach bekannt

Ein Investor hat acht oder mehr Grundstücke in der Helenenstraße gekauft. Seine Pläne sehen vor, die alten Gebäude abzureißen und neue, höhere zu bauen – mit mehreren Appartements je Grundstück für Sexarbeiterinnen. Er hat einen Bauantrag gestellt für ein Gebäude über drei der Grundstücke. Auf diesen drei Grundstücken gibt es bisher drei Prostitutionsstätten, in dem Neubau sollen 15 entstehen. Die Behörden gehen davon aus, dass die Bebauung aller Grundstücke statt bisher 51 dann 130 Prostitutionsstätten umfassen wird. Der Beirat hat dem Bauantrag im Frühjahr 2023 zugestimmt.

Im August hat sich eine Gruppe von über 40 Anwohnerinnen, Anwohnern und Geschäftsleuten zusammengeschlossen, um etwas gegen die unhaltbare Situation im Viertel zu tun, eben u.a. auch gegen die geplante Ausweitung der Prostitution.

Am 5. 9. 23 brachte ButenunBinnen einen Beitrag zur Situation, mit einem Interview des Innensenators Herrn Mäurer, der sich u.a. zu den Ausweitungsplänen positionierte. Herr Mäurer hält die Erhöhung der Anzahl von Prostituierten für keine gute Idee, eher solle das Gegenteil der Fall sein. https://www.butenunbinnen.de/videos/maeurer-viertel-aufraeumen-spd-100.html

April 2023

Da der Beirat die anstehenden Ausbauten in der Helenenstr. anscheinend nicht für so relevant und von öffentlichem Interesse hielt, um die Bevölkerung darüber zu informieren, hat LiV zu einer Anwohnerversammlung eingeladen. Ein dazu erschienener Artikel im Weser-Kurier gibt nicht wieder, wie die Stimmung auf der Versammlung wirklich war: Viele Beiträge handelten empört und betroffen von der Gewalt, die sich in der Straße beobachten oder aus der Straße hören lässt und ebenfalls im Umfeld sichtbar wird – so dass die Helenenstraße als „guter Ort“ für die dort arbeitenden Frauen stark infrage zu stellen ist. Allerdings nicht vom Beiratssprecher ÖV und nicht von Nitribit. Gleichzeitig wurde deutlich, dass die Menschen im Viertel nicht weiter belastet werden wollen, wie es durch die Ausweitung der Bordellwohnungen passieren würde. Sie haben genug von dem Zuruf: „Wenn ihr hier wohnt, müsst ihr das aushalten!“  angesichts der geballten Probleme im Steintor: den zunehmenden kriminellen Machenschaften, der Dealerszene, der männlichen Dominanz, der ausufernd feiernden Betrunkenen und vielem mehr. Der öffentliche Raum in der Helenenstraße, Vor dem Steintor, an der Sielwallkreuzung bis hinein in etliche Nebenstraßen ist nicht mehr für alle uneingeschränkt nutzbar, nicht für Kinder, junge Mädchen und Frauen, Alte, körperlich beeinträchtigte Menschen.

Es wurde gefordert, dass der Beirat eine Planungskonferenz einberuft, bei der alle Betroffenen an einem Tisch sitzen. Eine öffentliche Beiratssitzung zu dem Thema ist so schnell wie möglich anzuberaumen. LIV wird einen Offenen Brief an die zuständigen Ressorts richten. Die unmittelbaren Anlieger sollten sich organisieren.

Das Ortsamt wurde zitiert mit dem Sachstand, es seien 8 Grundstücke (von insgesamt 26) erworben worden, darauf sollten 23 Wohnungen für Prostituierte entstehen. Gerüchten zufolge – für die LIV allerdings bisher keine Bestätigung hat – soll der Investor 13 Grundstücke erworben haben. Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf, zu erfahren, was hier wirklich, und von wem,  geplant ist!

September 2023

Der Offene Brief wurde an die zuständigen Ressorts sowie an die Fraktionen von SPD, Grünen, Linken, FDP und CDU und an das Ortsamt geschickt. Es kam eine einzige Antwort, aus dem Gesundheitsressort: „Für uns im Stabsbereich Frauen ist der Schutz sowie die Erreichbarkeit der Frauen mit Unterstützungsangeboten oberste Prämisse in dieser Frage.“ Das Ortsamt hat bisher keine Planungskonferenz einberufen. Aufgrund anhaltenden Drucks aus der Bevölkerung soll es am 12.12.2023 eine Beiratssitzung dazu geben.

Oktober 2023

Die SPD-Fraktion spricht sich gegen die Ausweitung des Bordellbetriebs aus.

November 2023

Im Vorfeld der Debatte um die Helenenstraße im Koalitionsausschuss fordert der Innensenator Ulrich Mäurer, die Bordellmeile ganz zu schließen, um konsequent gegen den Abwärtstrend im Steintor vorzugehen, gegen Organisierte Kriminalität mit all ihren Begleiterscheinungen.

Die Grünen scheinen nicht so genau zu wissen, was sie eigentlich wollen, fordern mehr Ausstiegshilfen, mehr Kontrollen gegen Menschenhandel und mehr Licht auf dem Ziegenmarkt. Ob die Ausleuchtung der Zuhälter den Bewohner:innen des Viertels, die sich Vor dem Steintor nicht mehr sicher fühlen, so richtig hilft?

Und die Linke? Die stärkt ihrer Wirtschaftssenatorin den Rücken, die aus gewerberechtlichen Gründen keine Einwände hat. Die Arbeitsbedingungen der Prostituierten sollen durch neue Räumlichkeiten verbessert werden.

Sicherheit und Schutz der Bevölkerung spielen bei beiden Parteien eine untergeordnete Rolle. Das Ausmaß der Organisierten Kriminalität wird anscheinend stark unterschätzt.

Dezember 2023: Beirat will Bordellmeile erhalten

Auf der Sitzung des Beirats Östliche Vorstadt am 12. 12. 2023 haben sich die Beiratsmitglieder der Mehrheitsfraktionen aus SPD, Bündnis90/Die Grünen und Die Linke sowie die CDU und FDP für den Erhalt der Helenenstraße als Bordellmeile ausgesprochen, wie kurz zuvor bereits der Koalitionsausschuss der Regierungsparteien. „Leben im Viertel“ vertritt die Auffassung, dass sie damit die Chance vertan haben, eine entscheidende Wende zur Verbesserung der Situation im Stadtteil einzuleiten. LiV setzt sich gemeinsam mit der Bremer Städtegruppe von Terre Des Femmes weiterhin für die Umwandlung der Helenenstraße in eine Wohnstraße ein.

Hintergrund

Es ist historisch umstritten, ob der angeblich älteste Rotlichtbezirk Deutschlands (seit 1873) wirklich nur das soziale Projekt war, als das es – auch von offizieller Stelle – verkauft wurde (Schutz und Selbstbestimmung von „anschaffenden“ Frauen), oder nicht vielmehr seit jeher immer schon mit Zwang und Gewalt verbunden war. Heutzutage hat sich das Prostitutionsgewerbe völlig verändert: Armutsprostitution, osteuropäische zumeist orts- und sprachunkundige Frauen, wechselnde Einsatzorte, unübersichtliche Abhängigkeitsstrukturen bestimmen neben den veränderten juristischen und sozialen Rahmenbedingungen die heutige Realität auch in der Helenenstraße

Problem-/Konfliktbereiche

Mitten unter uns im Viertel wird ein menschenverachtendes Milieu geduldet, das kriminell durchsetzt und verflochten ist mit der benachbarten Drogenszene. Die Eigentumsverhältnisse in der Straße sind unübersichtlich, die Behörden wussten bisher nicht, ob es sich hier baurechtlich um ein Wohn-, Misch- oder Gewerbegebiet handelt. Die Helenenstraße ist mit ihren Baulücken, heruntergekommen Bretterverschlägen, Mauerresten, kleinen Buden mit Nachkriegsflair auf der einen Seite und den lieblos zusammengestückelten Bauten der 70er Jahre auf der anderen nichts anderes als ein städtebaulicher Schandfleck, ein Relikt vergangener Zeiten.

Perspektive

Die einzige Sackgasse des Viertels wird Teil des urbanen Lebens des Viertels. Eine städtebauliche Sanierung liegt im Interesse der Öffentlichkeit. In der Straße wird ein soziales Wohnungsbauprojekt etabliert, das Vorzeigecharakter als Oase des Stadtteils mit großer Wohn-, Aufenthalts- und Wohnqualität besitzt und im Steintor insgesamt eine neue Lebensqualität und Aufbruchsstimmung erzeugt.

Kurzfristige Lösung

Voraussetzung für eine Veränderung der trostlosen Situation ist die Öffnung zum Viertel durch neue Wegebeziehungen. Die Helenenstraße wird perspektivisch zur Durchgangsstraße, also als Sackgasse aufgehoben und zu der Straße „Auf der Kuhlen“ geöffnet. In einem ersten Schritt hätte der dortige Garagenhof, ohnehin eine raumörtliche Sünde, in städtischen Besitz überführt werden müssen, der neue Eigentümer muss dazu verpflichtet werden, die Öffnung zu ermöglichen. Weitere Gebäude in der Helenenstraße sollten von der öffentlichen Hand erworben werden. Planungsrechtlich ist die Umwidmung in ein Wohngebiet einzuleiten. Die Öffentlichkeit des Viertels wird schon jetzt in die Straße geholt, indem dort Gestaltungsräume für Initiativen, Kulturaktivitäten und Begegnungen ermöglicht werden.
Abgesehen davon muss die kriminelle Szene mittels Polizeipräsenz kontrolliert und gestört werden.
Menschenhandel, Zwangs- und Armutsprostitution müssen unterbunden werden. Die Senatorin für das Bauwesen wird aufgefordert, dem Beirat die Besitzverhältnisse in der Helenenstraße zu erläutern und die stadtteilbauliche Entwicklung voranzubringen.

Die Problematik des Sexkaufs kann hier nicht umfassend erörtert werden. Deshalb einige Links für alle Interessierten:

https://taz.de/Aktivistin-ueber-Sexkaufverbot/!5644525/

https://www.swr.de/swr2/wissen/sexkauf-verbieten-der-streit-um-prostitution-in-deutschland-104.html

https://www.emma.de/artikel/schattenbericht-prostitution-ist-gewalt-338819